Hygienischer Nestbau bei Hummeln
Die Nordamerikanische Polarhummel hat ein Toilettenhäuschen neben dem Nest. Quelle: Valdes & Scofield 2023/CC BY 4.0
Hummeln können in kalten Regionen sehr erfolgreich sein. Dennoch gibt es kaum Untersuchungen zu Arten arktischer Regionen. Die meisten Untersuchungen zu Anforderungen an Lebensraum, Nistmöglichkeiten und Krankheitsübertragung finden in den gemäßigten Breiten Europas und Nordamerikas statt. In einer aktuellen Studie haben sich zwei Forscherinnen der in der arktischen Kälte des US-Bundesstaates Alaska lebenden Nordamerikanische Polarhummel Bombus frigidus zugewandt.
Die Wissenschaftlerinnen haben in ihrer Arbeit die räumliche Verteilung der Nester, die Architektur der Nester und den Lebensraum der Hummeln beschrieben.
Die Nester wurden in Lebensräumen wie in Wohngebieten, am Straßenrand und in der Tundra auf unterschiedlichen Substraten (Gras, künstlicher Glasfaserisolierung und Torfmoos) - sowohl unterirdisch, als auch oberirdisch angetroffen. Die Polarhummel besitzt eine recht hohe Plastizität hinsichtlich ihrer Nistplätze und ist tolerant gegenüber anthropogenen Lebensräumen.
Die Verteilung der Nester war sehr heterogen. An einem Standort wurden gleich drei Nester in einem Abstand von nur einem halben Meter voneinander angetroffen. Hummeln nisten grundsätzlich häufig opportunistisch in verlassenen Nagetiernestern und benötigen möglicherweise spezielle Nistmaterialien wie getrocknete Gräser oder Nagetierhaare, wodurch die potenziellen Nistplätze wahrscheinlich eingeschränkt sind.
Das Enge beieinander der Nester kann sich auf das Sozial- und Fortpflanzungsverhalten auswirken: Blacher et al. haben 2013 und Zanette et al. haben 2014 festgestellt, dass Arbeiterinnen bei vielen Hummel-Arten zu anderen Kolonien abwandern, wo sie möglicherweise ihren eigenen Nachwuchs produzieren. Die unmittelbare Nähe der Nester von B. frigidus kann bei diesen Kolonien zu einem erhöhten Ausmaß an Abdrift und sozialem Parasitismus führen.
Das interessanteste Ergebnis der Studienarbeit ist das Ergebnis der Untersuchung der Nestarchitektur: Neben der Haupthöhle zeigen die Nester einen sekundären Nebenraum, „the outhouse“, der von den Hummeln für das Absetzen von Kot genutzt wird. Wird ihnen der Toilettenraum entzogen, so setzen sie Kot außerhalb des Nestes ab. Es ist möglich, dass dies ein Merkmal vieler wilder Hummel-Völker ist.
Beschreibungen von Designs für künstliche Nistkästen für Hummeln umfassen durchaus zusätzliche Hohlräume, damit die Ansammlung von Fäkalien im Nest verringert wird; Hummelvölker im Labor verrichten ihren Kot am Rand ihrer Gehege oder in zusätzlichen Hohlräumen wie viele zurückliegende Beschreibungen in Studien zeigen: Alford, 1975; Michener, 1974; Pinilla-Gallego et al., 2020; Pomeroy & Plowright, 1980; Sladen, 1912.
Erstaunlicherweise sind die zurückliegenden Erkenntnisse nicht in den Bau künstlicher Nistangebote eingeflossen.
Ob die Hummeln „the outhouse“ selber bauen oder sie die entsprechende Nebenhöhle beim Bezug der Nistgelegenheiten bereits angetroffen haben, ist unklar.
Hummel-Königinnen vieler Arten graben ein Winterlager, um sie als Überwinterungsplätze zu nutzen. Insofern können sie graben und wären prinzipiell auch in der Lage, ein Nest anzupassen. Allerdings ist der Nestbau energetisch aufwendig und zeitaufwändig.
Der zusätzliche Toilettenraum könnte für arktische Hummeln von besonderer Bedeutung sein, da sie möglicherweise oftmals länger als planbar durch besonders kalte Temperaturen davon abgehalten werden, ihre Nester verlassen zu können, um ihren Kot im Freien abzusetzen.
Die Sommertemperaturen liegen typischerweise zwischen 7 und 12 °C in der Arktis.
Diese Temperaturen nähern sich damit den kritischen thermischen Mindesttemperaturen anderer Hummel-Arten wie die Hunt-Hummel B. huntii, die Zweigeteilte Hummel B. bifarius und die Nordamerikanische Waldhummel B. sylvicola.
Die Nebenhöhlen könnten für B. frigidus eine soziale Immunitätsfunktion erfüllen. Hummeln sind Wirte mehrerer Arten einzelliger Trypanosomen-Darmparasiten, die durch Kontakt mit infizierten Fäkalien übertragen werden. Die Wissenschaftlerinnen konnten den Parasiten bei Arbeiterinnen von B. frigidus auf der Seward-Halbinsel nachweisen: 58 % der auf der an der Westküste Alaskas gelegenen Halbinsel untersuchten B. frigidus-Arbeiterinnen waren mit Trypanosomen-Parasiten infiziert.
Das Verhalten der sozialen Immunität wurde bei eusozialen Insektenarten insgesamt gut untersucht. Bei Termiten können Fäkalien etwa die Krankheitsresistenz unterstützen. So kleiden Feuchtholz-Termiten Zootermopsis angusticollis und die Formosa-Termite Coptotermes formosanus ihre Nester mit Fäkalien aus, die antimykotische Eigenschaften besitzen. Bei vielen anderen eusozialen Insektenarten sorgen hygienische Verhaltensweisen dafür, Fäkalien von der Hauptnesthöhle ferngehalten: Schwarze Wegameisen Lasius niger verrichten ihren Kot in den Ecken ihrer Nester. Honigbienen verrichten ihren Kot fast ausschließlich außerhalb des Bienenstocks.
Durch diese Verhaltensweisen soll die Ausbreitung schädlicher Krankheitserreger im Nest reduziert werden.
Zusammengenommen liefern die Studienergebnisse naturgeschichtliche Informationen über die arktische Bienenart B. frigidus und legen nahe, dass die Architektur einer Nebenhöhle für den Kostabsatz als soziales Immunitätsmerkmal fungieren könnte, um die Übertragung von durch Fäkalien übertragene Krankheitserreger innerhalb des Nests zu reduzieren.