Rückverfolgung toxischer Pestizid-Konzentrationen über Pollen

  • Veröffentlicht am: 20.10.2020

So wichtig er für Bienen ist: Pollen kann auch einem Menge Schadstoffe enthalten. Foto: Niels Gründel

In einer aktuellen Studienveröffentlichung haben Wissenschaftler hochgiftigen Pollen einer einzigen Pflanzengattung zuordnen können. Dieses Verfahren zur Rückverfolgung von Pollenproben mit hoher Toxizität zu potenziellen Quellpflanzen könnte Anwendungsempfehlungen für Pestizidanwendungen und -zeitpunkte ergeben.

Das Sammeln von Pollen bei Honigbienen kann dazu genutzt werden, die Exposition von Honigbienen gegenüber Pestiziden im Pollen zu messen. Es ist durchaus ein effektives Instrument des Biomonitorings.
In Untersuchungen wird häufig eine Kontaminationen von Pollen mit mehreren Pestiziden festgestellt. Eine akute orale Toxizität für Honigbienen wird dabei für Insektizide angenommen.

Die Untersuchungen dieser Studie fanden an drei Baumschulen in Connecticut statt, die mindestens 42 km voneinander entfernt waren. Die kleinste Baumschule war 48 ha groß und von Wald sowie Vororten umgeben, die größte Baumschule umfasst eine Fläche von 183 ha und war von landwirtschaftlichen Feldern, Wald und Vororten umgeben, während die Baumschule mittlerer Größe mit einer Fläche von 168 ha nur etwas kleiner war. Sie war hauptsächlich von landwirtschaftlichen Feldern und Wald umgeben.

Anfang Mai 2015 wurden drei Bienenstöcke in jede der drei Baumschulen verbracht und mit Pollenfallen versehen. Die Völker wurden so aufgestellt, dass sie niemals direkt mit der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kamen.
Pollen wurde bis Ende September 2015 gesammelt.

Bei den meisten der Pollenproben aus den Baumschulen waren die ermittelten Konzentrationen von Neonicotinoiden im Bereich „feldrealistisch“ (2 – 6 ppb). Einzige Ausnahmen waren, fünf der Proben aus der größten Baumschule im August und zwei Proben aus der etwas kleineren Baumschule: Die Konzentrationen von Imidacloprid lagen zwischen 7,2 und 9,9 ppb.
In dieser Studie wurden im Vergleich zu früheren Studien in Baumschulen einige Fungizide häufiger gefunden, insbesondere Azoxystrobin, Carbendazim, Boscalid, Metalaxyl, Pyraclostobin und Thiophanat-methyl.

Der Pollen stammt nicht nur aus dem Bereich der Baumschulen, sondern umfasst auch das Umland. Die Wissenschaftler analysieren aktuell noch den gesammelten Pollen durch Pollenanalyse und DNA-Barcodierung, um die Pflanzenquellen über die gesamte Saison zu bestimmen. Der meiste Pollen stammt von Pflanzengattungen und -familien, die gar nicht in den Baumschulen anzutreffen waren.

Durch visuelle Sortierung von zwei Proben nach Farbe, gefolgt von einer Pestizid-Analyse der sortierten Pollen und der Pollenanalyse, um die pflanzlichen Quellen der Pollen mit der größten akuten Toxizität der Pestizidrückstände zu identifizieren, konnte Pollen aus der Pflanzengattung der Spiersträucher Spiraea mit außergewöhnlich hohen Konzentrationen an Thiamethoxam und Clothianidin sowie mit hohen Konzentrationen an Acephat und seinem Metaboliten Methamidophos ermittelt werden.
Die Rückstände von Acephat, Clothianidin, Methamidophos und Thiamethoxam, die in den sortierten Pollen gefunden wurden, betrugen 680, 143, 369 und 241 ppb. Es war mit maximal 93,5 % Spiraea kein reiner Spiraea-Pollen, aber die kombinierten Konzentrationen von Pestiziden dürften für jede Biene ein extrem hohes Risiko beim Verzehr darstellt.

Honigbienen widerstandsfähiger als Solitärbienen

Aufgrund der Größe und Komplexität des Superorganismus Bien verfügen sie über mehrere Mechanismen, um die Auswirkungen von Pestiziden zu mildern, und sind daher widerstandsfähiger als die meisten anderen Bienenarten (Henry et al. 2015, Straub et al. 2015). Viele Studien zum Wachstum von Hummel-Völkern haben signifikante Wirkungen von Neonicotinoiden bei Konzentrationen unter 10 ppb festgestellt (Stoner 2016). Sandrock et al. 2014b zeigten eine 50 %ige Reduktion der Reproduktionsrate der solitär lebenden Roten Mauerbiene Osmia bicornis bei einer Nektarkonzentration von 2,87 μg/kg für Thiamethoxam und 0,45 μg/kg für Clothianidin, was im Allgemeinen als feldrealistische Konzentrationen eingestuft werden.
Ein direkter Vergleich in einem Feldversuch zeigte Unterschiede der Wirkungen von Pestiziden auf Honigbienen sowie Dunklen Erdhummeln Bombus terrestris und Roten Mauerbienen: Rapsfelder wurden mit Clothianidin und Cyfluthrin behandelt oder blieben alternativ unbehandelt. Auswirkungen auf das Wachstum und die Reproduktion bei Honigbienen gab es keine, bei den Völkern der Dunklen Erdhummel waren sie signifikant und die Roten Mauerbienen wurden an den behandelten Standorten vollständig vernichtet (Rundlöf et al. 2015).

Im Beispiel der hohen toxischen Insektizid-Belastung der Spiraea-Pollen sehen die Forscher weniger die Honigbiene betroffen, als vielmehr die Sandbiene Andrena crataegi. Sie sucht während des Sommers lediglich sechs Wochen lang nach Nahrung und sammelt häufig an Spiraea. Insgesamt gibt es 41 an Spiraea sammelnde Bienenarten, darunter 13 Andrena-Arten, 3 Hylaeus-Arten, 2 Halictus-Arten, 9 Lasioglossum-Arten, 4 Bombus-Arten und 1 Art Osmia – insgesamt eine  heterogene Gruppe, solitärer und eusozialer Arten. Die Auswirkungen von Spiraea-Pollen mit einer stark toxischen Konzentration an Pestizidrückständen auf diese Bienen dürfte daher sehr unterschiedlich ausfallen.

Literaturstelle: 

Kimberly A Stoner, Richard S Cowles, Andrea Nurse, Brian D Eitzer; Tracking Pesticide Residues to a Plant Genus Using Palynology in Pollen Trapped from Honey Bees (Hymenoptera: Apidae) at Ornamental Plant Nurseries, Environmental Entomology, nvz007, https://doi.org/10.1093/ee/nvz007

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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