Forscher blicken ins Gehirn von Honigbienen

  • Veröffentlicht am: 27.02.2023

Mit dem Blick ins Gehirn der Honigbienen erhält die Wissenschaft neue Erkenntnisse. Foto: Kai Wenzel/Unsplash

Ein Team von Forschern hat einen Calcium-​Sensor in eine Honigbiene integriert. Mit seiner Hilfe kann die neuronale Informationsverarbeitung bei der Honigbiene untersucht werden, unter anderem die Reaktion auf Gerüche. Darüber hinaus lassen sich auch Erkenntnisse über die Verortung des sozialen Verhaltens im Gehirn gewinnen.

Insekten sind wichtige sogenannte Modellorganismen für die Forschung. Denn auch wenn sich die Entwicklungslinien von Insekten und Menschen schon vor mehr als 600 Millionen Jahren getrennt haben, haben sie doch immer noch mehr als 60 Prozent der DNA gemeinsam.

Während seit über einem Jahrhundert vor allem die Fruchtfliege Drosophila melanogaster für Forschungszwecke eingesetzt wird, nimmt inzwischen die westliche Honigbiene Apis mellifera immer häufiger ihren Platz ein. Denn Bienen weisen ein komplexes Sozialverhalten auf – sie müssen Leistungen in den Bereichen Orientierung, Kommunikation, Lernen und Gedächtnis erbringen. Das macht Honigbienen insbesondere auch für die Untersuchung der Gehirnentwicklung und neuronaler Prozesse interessant.

Ein Calcium-​Sensor wurde unmittelbar in das Nervengewebe – die Neuronen – eingebaut. Calcium spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivität von Nervenzellen. „Wir haben den genetischen Code von Honigbienen so verändert, dass ihre Gehirnzellen ein fluoreszierendes Protein produzieren. Dieses dient als Sensor, mit dem wir die Bereiche überwachen können, die als Reaktion auf Umweltreize aktiviert werden. Die Intensität des ausgestrahlten Lichts variiert je nach neuronaler Aktivität“, erklärt Dr. Albrecht Haase von der Universität Trient.

Prof. Martin Beye von der Universität Düsseldorf weist darauf hin, dass „es eine besondere Herausforderung war, diese ‚Sensor-​Biene‘ zu realisieren. Denn wir mussten mit der DNA der Bienenkönigin arbeiten. Im Gegensatz zu Fruchtfliegen können Bienenköniginnen aber nicht einfach im Labor gezüchtet werden, da jede von ihnen zum Überleben eine eigene Kolonie benötigt.“

Die Arbeit begann damit, in über 4.000 Bieneneier eine spezifische genetische Sequenz einzuimpfen. Am Ende eines langwierigen Zucht-​, Test- und Auswahlprozesses standen schließlich sieben Königinnen, die den genetisch kodierten Sensor in sich trugen. Wenn sie sich in ihrem eigenen Staat fortpflanzten, gaben sie das Gen an einige ihrer Nachkommen weiter.

Der von dem Forschungsteam entwickelte Sensor diente dann zur Untersuchung des Geruchssinns der Bienen und wie die Wahrnehmung von Geruch in den Neuronen genetisch kodiert ist. Prof. Dr. Julie Carcaud von der Universität Paris-​Saclay und Prof. Dr. Jean-​Christophe Sandoz vom Centre National de la Recherche Scientifique erklären: „Die Insekten wurden mit verschiedenen Gerüchen stimuliert und mit einem hochauflösenden Mikroskop beobachtet. Auf diese Weise konnten wir feststellen, welche Gehirnzellen durch diese Gerüche aktiviert werden und wie diese Informationen im Gehirn verteilt werden.“

Für die Untersuchungen wurde ein so genanntes Konfokales Zwei-​Photonen-Fluoreszenzmikroskop eingesetzt. Dabei wird Licht aus verschiedenen Richtungen auf einen winzigen Punkt fokussiert. Nur wenn zum gleichen Zeitpunkt zwei Lichtteilchen (Photonen) auf eines der fluoreszierenden Proteine treffen, das an einen gerade aktiven Calciumkanal gekoppelt ist, wird dieses Protein angeregt. Anschließend gibt es Licht einer charakteristischen Wellenlänge ab, das dann mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung aufgezeichnet wird. 

„Die Messungen am lebenden Tier wurden mit einem ‚Konfokalen Zwei-​Photonen-Fluoreszenzmikroskop‘ durchgeführt, mit dem wir von außen ins Gehirn der Biene schauen können. Dazu wird das Tier in einen Messstand geschnallt und dann werden ihm verschiedene Geruchsproben präsentiert“, so Dr. Marianne Otte von der Universität Düsseldorf und Prof. Dr. Bernd Grünewald von der Universität Frankfurt ergänzt: „Mit der neuen ‚Sensor-​Biene‘ lässt sich untersuchen, wie die Kommunikation innerhalb von Kolonien funktioniert und wie sich die Sozialität allgemein auf das Gehirn der Tiere auswirkt.“

Literaturstelle: 

Carcaud J, Otte M, Grünewald B, Haase A, Sandoz J-C, Beye M (2023) Multisite imaging of neural activity using a genetically encoded calcium sensor in the honey bee. PLoS Biol 21(1): e3001984. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3001984

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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