Altruistischer Suizid als Erfolgskonzept bei Bienen

  • Veröffentlicht am: 27.11.2016

Völker der Östlichen Honigbiene überleben einen Befall mit der parasitären Varroamilbe, der für Völker der Westlichen Honigbiene tödlich endet. Ein internationales Forschungsteam von Agroscope, dem Institut für Bienengesundheit der Universität Bern, hat zusammen mit Partnern aus China und Thailand entdeckt, dass ein Großteil der befallenen Larven der Östlichen Honigbiene stirbt, worauf die Kolonie die abgestorbenen Larven entfernt – zusammen mit ihren Parasiten. Insofern ermöglichen schwache Bienen das Überleben des Bienenvolkes: Sie verhindern die Vermehrung des Parasiten.

Die ektoparasitische Milbe Varroa destructor ist eine ernste Gefahr für das Überleben der Honigbienen, was wiederum negative Auswirkungen hat auf die Artenvielfalt und auf die Bestäubung von Kulturen, die für die Lebensmittelsicherheit relevant sind. „Einer nachhaltigen Bekämpfung dieses Parasiten stand bisher unser begrenztes Verständnis im Weg, wie sich der ursprüngliche Wirt dieser Milbe, die Östliche Honigbiene, verteidigt“, erklärt Vincent Dietemann von Agroscope. „Mit dieser Studie wollten wir die Resistenzfaktoren identifizieren, die es Völkern der Östlichen Honigbiene erlauben, Infektionen mit diesem Parasiten zu überleben“, ergänzt Erstautor Paul Page von Agroscope und dem Institut für Bienengesundheit, der die vergangenen drei Jahre an diesem Projekt gearbeitet hat.

Ein Team aus Forschenden veröffentlichte einen Artikel in dem ein bisher unbekanntes Verhalten bei der Östlichen Honigbiene als altruistischer Suizid zur Stärkung der Kolonie beschrieben wird.

„Dieses Verhalten lässt sich mit dem Wehrverhalten der Arbeiterinnen vergleichen, die bei der Verteidigung ihrer Kolonie das Leben lassen: Ihr Stachel bleibt im Eindringling hängen, wodurch der ganze Stachelapparat aus ihrem Körper gerissen wird und die Biene verendet“, erklärt Zheguang Lin von der Universität Zhejiang, der ebenfalls zur Arbeit beigetragen hat. Die neue Erkenntnis wurde experimentell gewonnen und beruht auf der Beobachtung der individuellen Empfindlichkeit gegenüber der Parasitierung. Befallene Larven der Östlichen Honigbiene sind gegenüber V. destructor empfindlicher als Larven von A. mellifera und sterben früher. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass sich diese Schwäche entwickelte, um eine verbesserte soziale Immunität zu ermöglichen, da schwache und tote Larven zusammen mit den Parasiten aus den Völkern entfernt werden. Obwohl die hohe Empfindlichkeit der Individuen gegenüber dem Befall zum Tod des Einzelnen führt, wird sie durch natürliche Selektion begünstigt, weil das Überleben der Völker erhöht wird.

Verständnis von Insektenstaaten und Anwendung in der Imkerei

Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Beitrag für die Erforschung von Insektenstaaten, weil sie einen neuen Ansatz zeigen, wie Individuen zur Bekämpfung von Parasiten zusammenarbeiten können: Unerwarteterweise leisten für das Überleben der Kolonie nicht die „starken“, sondern gerade die „schwachen“, also empfindlichen, Individuen einen besonders wertvollen Beitrag. Diese Erkenntnis hat bedeutende Auswirkungen auf die Praxis in der Imkerei. In den vergangenen zwanzig Jahren haben die Bemühungen, das Überleben der Bienen gegenüber einem Befall mit V. destructor durch Züchtung zu verbessern, zu keinen befriedigenden Resultaten geführt. „Die Berücksichtigung der individuellen Empfindlichkeit bei künftigen Züchtungsprogrammen für A. mellifera wird zu widerstandsfähigeren Kolonien und zu einer nachhaltigen weltweiten Imkerei beitragen“, ist der Ko-Autor Peter Neumann vom Institut für Bienengesundheit überzeugt.

Krankheiten der Honigbiene und Bestäubung

Honigbienenvölker sind für zahlreiche Organismen attraktive Brutstätten. Das enge Zusammenleben tausender von Wirten in einem warmen und feuchten Nest liefert zahlreichen Parasiten und Krankheitserregern ideale Bedingungen für die Entwicklung und Vermehrung. Durch den weltweiten Handel mit Honigbienen werden die natürlichen Barrieren zwischen den Arten überwunden und artenspezifische Parasiten und Krankheitserreger kommen in Kontakt mit neuen, potenziellen Wirten, die keine natürlichen Abwehrmechanismen entwickeln konnten. Von menschlichen Aktivitäten profitierte auf diese Weise auch die Milbe V. destructor, die innerhalb eines Jahrhunderts eine fast weltweite Verbreitung erreichte.

Literaturstelle: 

Paul Page, Zheguang Lin, Ninat Buawangpong, Huoqing Zheng, Fuliang Hu, Peter Neumann, Panuwan Chantawannakul & Vincent Dietemann: Social apoptosis in honey bee superorganisms. Sci. Rep. 6, 27210; doi:10.1038/srep27210 (2016).

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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