Entwicklung sanfter „Killerbienen“ in Puerto Rico

  • Veröffentlicht am: 24.01.2022

Die Killerbienen in Puerto Rico sind deutlich sanftmütiger als auf dem Festland. Foto: gilaman/Flickr, CC BY 2.0

Afrikanisierte Honigbienen haben es auch nach Puerto Rico geschafft, doch dort sind sie erheblich sanftmütiger als auf dem Festland. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie wurde die DNA der puertoricanischen Variante der „Killerbienen“ mit den Afrikanisierten Honigbienen des Festlandes und mit den Europäischen Honigbienen verglichen. Viele genetische Merkmale entsprechen auch in Puerto Rico noch den afrikanisierten Vorfahren, andere dagegen stärker den Honigbienen Europas. Dieser Unterschied hat sich in den letzten 30 Jahren auf der Insel gebildet.

Die Afrikanisierten Bienen sind die Nachkommen afrikanischer Honigbienen der Unterart Apis mellifera scutellata und der Italienischen Honigbiene Apis mellifera ligustica. In den späten 1950er Jahren entkamen diese aggressiven „Killerbienen“ einem experimentellen Zuchtprogramm in Brasilien. Das Programm war darauf angelegt, eine wünschenswerte Mischung der Merkmale sanftmütiger europäischer Bienen und ihrer afrikanischen Gegenstücken hervorzubringen: Entstehen sollten so optimierte Bienen, die einerseits zwar aggressiver, andererseits krankheitsresistenter und darüber hinaus an ein tropisches Klima angepasst sind.

Geglückt ist die Zucht nicht, ganz im Gegenteil terrorisieren die Nachkommen der einst entkommenden Bienen nun weite Teile des amerikanischen Kontinents und werden mitunter als Frankenstein-Bienen bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht, entstammen sie doch einem tiefen Eingriff in die natürlich Evolution. Ironischerweise wurde aber das, was die Wissenschaftler im Labor nicht schafften, durch Zufall erreicht. Afrikanisierte Honigbienen kamen in den 1990er Jahren in Puerto Rico an – höchstwahrscheinlich auf einem Schiff, und innerhalb von drei Jahrzehnten hatten sie sich zu den sanften, aber robusten, Afrikanisierten Bienen entwickelt, die heute die Insel beherrschen. Der Biologieprofessor Tugrul Giray von der Universität Puerto Rico berichtete 2012 zum ersten Mal über die sanfte Puertoricanische Biene in der Zeitschrift „Evolutionary Applications“. Er ist jetzt auch Mitautor der neu vorgelegten Studie.

Um zu verstehen, wie die Bienen ihre Sanftmut entwickelt haben, sequenzierten die Forscher die Genome 30 sanftmütiger Puertoricanischer Bienen, 30 Afrikanisierter Bienen aus Mexiko und 30 Europäischer Honigbienen aus dem US-Bundesstaat Illinois.

„Der Vorteil dieser drei Populationen besteht darin, dass man die drei vergleichen und die Unterschiede herausstellen kann“, so Arian Avalos von der Universität Illinois. „Wir fragten uns, wie sich das Genom der sanften Afrikanisierten Biene von anderen Populationen Afrikanisierter Honigbienen unterscheidet. Und welche Teile des Genoms ähneln den europäischen Bienen?“

Das Team entdeckte, dass die Genome der sanftmütigen Honigbienen größtenteils denen ihrer afrikanisierten Vorfahren glichen. Bestimmte Regionen der DNA hatten sich jedoch bei den sanftmütigen Bienen verschoben und reflektierten mehr von ihrem europäischen Erbe. Diese Regionen schienen unter „positiver Selektion“ zu stehen. Dies bedeutet, dass etwas in der Umgebung der Bienen diese genetischen Signaturen gegenüber anderen begünstigt.

Die Wissenschaftler haben die Hypothese aufgestellt, dass sich die Bienen aufgrund des Lebens auf einer sehr dicht bevölkerten Insel, von der sie nicht leicht entkommen können, als fügsamer erwiesen haben. Die Menschen haben wahrscheinlich die aggressivsten Bienenvölker ausgerottet und so den sanftmütigeren Völkern geholfen und sie insofern selektiert.

„Evolution umfasst Veränderungen in der Häufigkeit von Genvarianten innerhalb einer Population, und genau das sehen wir in Puerto Rico“, erklärt Gene Robinson von der Universität Illinois. „Jetzt wissen wir, dass diese sanftmütigen Afrikanisierten Honigbienen genetisch von anderen Afrikanisierten Honigbienen und Europäischen Honigbienen unterschieden werden können.“

In den neuen Erkenntnissen sehen die Forscher durchaus auch einen Hoffnungsschimmer für die bedrängten Honigbienen und bestehende Zuchtprogramme. Europäische Honigbienen besitzen tendenziell eine geringere genetische Vielfalt als Afrikanisierte Honigbienen, die sowohl die Gene europäischer als auch afrikanischer Honigbienen in sich tragen. Europäische Honigbienen sind anfälliger für eine Vielzahl Parasiten und Krankheitserreger.

„Die Tatsache, dass wir gezeigt haben, dass sich die Genetik dieser puertoricanischen Bienen sehr von der Europäischen Honigbiene unterscheidet, und die Tatsache, dass sie nachweislich sanftmütig sind, macht sie sehr interessant, um den Rückgang der Bestäuber abzumildern“, findet Matthew Hudson.

Afrikanisierte Bienen sind sehr resistent gegen die Varroa-Milbe

Bei zurückliegenden Forschungen im Labor von Tugrul Giray zeigte sich, dass die sanftmütigen Afrikanisierten Honigbienen aus Puerto Rico ein aggressives Pflegeverhalten an den Tag legen, wenn sie mit der Varroa-Milbe infiziert sind, und sie die Milben fast direkt entfernen.

„Der Befall Europäischer Honigbienen mit den Milben löst sehr wenig Reaktionen aus“, so Arian Avalos. „Das könnte eine gute Nachricht für Imker sein, die eine sanfte Honigbiene entwickeln wollen, die auch Varroa-resistent ist.“
Aber hatte der Mensch diesen Versuch nicht schon einmal mit verheerenden Auswirkungen in den 1950er Jahren unternommen?

Literaturstelle: 

Arian Avalos et al, A soft selective sweep during rapid evolution of gentle behaviour in an Africanized honeybee, Nature Communications (2017). DOI: 10.1038/s41467-017-01800-0

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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