Kann Europa seine Natur wiederherstellen?

  • Veröffentlicht am: 22.01.2024

Der Verlust der biologischen Vielfalt soll aufgehalten werden. Foto: Henry Be/Unsplash

Anfang 2024 wird das Europäische Parlament über das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ abstimmen. Die Verordnung hat das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa aufzuhalten und umzukehren. Ein Team von Wissenschaftlern hat untersucht, wie erfolgversprechend das Gesetz ist.

Das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (Nature Restoration Law, NRL) verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, bereits bis 2030 wirkungsvolle Renaturierungsmaßnahmen zu ergreifen: auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen und bis 2050 in allen Ökosystemen, die einer Wiederherstellung bedürfen. Zentrale Punkte betreffen die Wiedervernässung entwässerter Moore sowie die Erholung von Bestäuberpopulationen.
Das NRL hat im EU-Parlament bereits mehrere Hürden genommen: Zuletzt wurde es vom Umweltausschuss des EU-Parlaments gebilligt, nachdem Delegationen des Parlaments und des Rates den endgültigen Text verhandelt hatten. Für Anfang 2024 ist nun die Abstimmung des Europäischen Parlaments über das NRL geplant.

Ein Team von Wissenschaftlern mit Erfahrungen bei Projekten zur Renaturierung und zur biologischen Vielfalt haben Erfahrungen analysiert, die mit anderen europäischen Umweltrichtlinien und -strategien gemacht werden konnten und darauf aufbauend die Erfolgsaussichten der NRL bewertet.

„Das NRL verfolgt viele erfolgsversprechende Ansätze und verdeutlicht, dass die EU-Kommission von Erfahrungen mit ähnlichen Rechtsvorschriften gelernt hat. Ein zentraler Aspekt dabei: Mit der Konstruktion des NRL umgeht die EU-Kommission mehrere Fallstricke, die die Umsetzung europäischer Politiken und Verordnungen oft behindern“, erläutert Studienautor Prof. Dr. Daniel Hering von der Universität Duisburg-Essen. „Die Verordnung definiert klare Ziele und Zeitpläne und legt die Umsetzungsschritte fest. Sie muss zudem nicht, wie eine Richtlinie, formal in nationales Recht umgesetzt werden und spart damit Zeit.“
Dennoch wird die konkrete Umsetzung auf der Ebene der Mitgliedsstaaten für den Erfolg des NRL entscheidend sein. „Während die Ziele des EU-Gesetzes genau definiert und verbindlich sind, müssen die Schritte zu ihrer Erreichung im Detail von den europäischen Ländern entschieden und durchgeführt werden, und die meisten von ihnen sind freiwillig“, ergänzt Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Ein weiterer erfolgsentscheidender Aspekt: die Zusammenarbeit der Politik mit den Landnutzern, insbesondere mit der Landwirtschaft. „Die intensive Landwirtschaft ist nach wie vor eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa“, ordnet Guy Pe'er vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ein. „Aber die Ziele der Landwirtschaft und der Renaturierung könnten miteinander verknüpft werden, so dass beide Seiten davon profitieren können. Die Landwirtschaft profitiert direkt von gesunden Böden und sich erholenden Bestäuber-Populationen sowie von einem verbesserten Landschaftswasserhaushalt - das zeigt, wie sich die Ziele des NRL mit einem Nutzen für die Landwirtschaft verbinden lassen.“
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein Einsatz von Fördermitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auch zur Zielerreichung des NRL entscheidend sein wird: eine in Fachwelt und Anwendung kontrovers diskutierte These.

Insgesamt bewerten die Wissenschaftler das NRL positiv. Sie machen jedoch deutlich, dass eine ehrgeizige nationale Umsetzung und die Zusammenarbeit mit Wirtschaftssektoren wie der Landwirtschaft letztlich über den Erfolg der Renaturierung in Europa entscheiden werden.

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