Mikroplastik als Gefahr für Honigbienen

  • Veröffentlicht am: 01.10.2024

Mikroplastik kann sogar in Honig landen. Quelle: Al Naggar et al. 2021, CC BY 4.0 DEED

Mikroplastik ist in der Umwelt inzwischen fast allgegenwärtig und lässt sich in Böden, der Luft und Gewässern nachweisen - auch weit den Ursprungsquellen entfernt. In einer Metastudie hat ein Team von Wissenschaftlern den aktuellen Stand der Forschung zusammengetragen.

Mikroplastik ist ein relativ neuer Schadstoff, der erst in den letzten Jahren in den Fokus gerückt ist. Dabei handelt es sich um Polymerpartikel; Mikroplastik wird in zwei Gruppen unterteilt: primäres und sekundäres Mikroplastik. Primäres Mikroplastik wird direkt als mikroskopisch kleines Material hergestellt und ist häufig für die Verwendung in Konsumgütern vorgesehen, wie Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel. Sekundäres Mikroplastik entsteht, wenn größere Kunststoffteile aufgrund natürlicher Verwitterungsprozesse in der Atmosphäre oder in Gewässern in kleinere Teile zersetzt werden. Beim Straßenverkehr ist etwa der Abrieb von Autoreifen ursächlich, ebenso findet sich Mikroplastik in Klärschlamm.

Schätzungen gehen davon aus, dass der Mensch jährlich bis zu 52.000 Partikel über die Nahrung aufnimmt und bis zu 74.000 Partikel pro Jahr einatmet.
Sowohl primäre als auch sekundäre Mikroplastik sind allgegenwärtig und persistent in der Umwelt vorhanden.
Kontamination mit Mikroplastik können toxisch sein und eine geringere Fitness, stärkerer oxidativer Stress, immunologische Reaktionen und eine beeinträchtigte Darmfunktion in aquatischer Biota hervorrufen. Hinweise gibt es auch, dass Mikroplastik mit terrestrischen Organismen interagiert.

Westliche Honigbienen Apis mellifera leiden ohnehin unter zahlreichen biotischen und abiotischen Faktoren: Parasiten, mikrobiellen Infektionen, Exposition gegenüber Pestiziden, Lebensraumverlust und unsachgemäße Imkereipraktiken.

Reifenabrieb gelangt durch die Atmosphäre auf landwirtschaftliche Flächen; darüber hinaus wird Mikroplastik auch aktiv von Landwirten in die Umwelt ausgebracht - durch die Düngung von Nutzpflanzen mittels Klärschlamm.

Bei einer Analyse von Makro- und Mikroplastik in Agrarböden entdeckten Piel et al. 2018 bis zu 205 Makroplastikteile pro Hektar und 0,34 bis 0,36 Mikroplastikpartikel pro Kilogramm Boden Trockengewicht. Den Großteil des gefundenen Plastikmülls machten Folien und Fragmente aus (91,36 %).

Inzwischen weiß man, dass Kunststoffpartikel physikalische Barrieren intakten Pflanzengewebes überwinden kann. Mikroplastik und das noch kleinere Nanoplastik können von Pflanzen, auch Nutzpflanzen, die der Mensch verzehrt, aufgenommen werden.

Honigbienen interagieren aktiv mit ihrer Umgebung; als Folge davon werden Schadstoffe von ihnen aufgenommen und auf ihre Produkte übertragen. Honigbienen gelten ohnehin als guten Umweltdetektive, da sie über große Gebiete mit vielen Bestandteilen ihrer Umwelt in Kontakt kommen. Verunreinigte Partikel gelangen so in ein Honigbienenvolk und ihre Produkte, wo sie leicht nachzuweisen sind.

2013 wurde Mikroplastik in Honig nachgewiesen, was einige große Aufmerksamkeit erregte. Die Ergebnisse konnten später jedoch weder bestätigen noch reproduzieren werden.
In einer neuen Studie wurde Mikroplastik in 12 % der in Ecuador gesammelten Honig-, Bier-, Milch- und Erfrischungsproben gefunden. Ein Nachweis von Mikroplastik erfolgte jüngst in Honigbienen aus 19 verschiedenen Imkereistandorten in Kopenhagen, Vorstädten und ländlichen Gebieten - überwiegend in Form von Fragmenten (52 %) und Fasern (38 %).

In einer über 14 Tage durchgeführten Studie von Wang et al. 2021 bei Apis mellifera verursachte die Exposition gegenüber Mikroplastik aus Polystyrol bei Bienen nahezu keinem Überlebensstress. Allerdings sorgte die Belastung zu erheblichen Veränderungen im Darm-Mikrobiom und Veränderungen in der Genexpression im Zusammenhang mit oxidativen Schäden, Entgiftung und Immunität.
Für die subletalen Auswirkungen gibt es die Hypothese, dass sie möglicherweise durch ihre Aggregation und Zersetzung im Darm sowie durch ihre anschließende Interaktion mit der mikrobiellen Population verursacht werden. Der überwiegende Teil Mikroplastik, der in Honig und Honigbienen gefunden wurde, handelt es sich um unregelmäßige Fragmente und Fasern. Diese unregelmäßig geformten Materialien sind in der Umwelt weit verbreitet, werden jedoch seltener in Betracht gezogen und könnten für Bienen giftiger sein als kugelförmigere Äquivalente.

Mikroplastik richtet bei Meerestieren, Schildkröten und Vögeln Schäden an, indem er den Verdauungstrakt blockiert, das Verlangen nach Nahrung verringert und das Fressverhalten verändert. Am Ende führt dies zu einer Verringerung des Wachstums und der Fortpflanzungsleistung.

Mikroplastik selbst ist wahrscheinlich kein außergewöhnlich toxischer Schadstoff, allerdings kann die Toxizität in Gegenwart anderer Chemikalien größer sein: Die durch Mikroplastik verursachte Letalität war signifikant erhöht, wenn die Darm-Mikrobiota durch den Einsatz des Antibiotikums Tetracyclin dezimiert wurde. Es bleibt aber unklar, ob die Toxizität durch die Eliminierung der Darm-Mikrobiota oder durch einen synergistischen Effekt der Toxizität der einzelnen Wirkstoffe verursacht wird.

Überdies ist Mikroplastik keine heterogene Klasse von Materialien. Sie unterscheiden sich vielmehr in den Partikeleigenschaften wie Größe und Form und ihrer chemischen Zusammensetzung deutlich voneinander. Derzeit ist unklar, ob der Kunststoffzusatz oder der Partikel selbst der treibende Faktor für die Mikroplastik-Toxizität ist.

Für Winterbienen könnte Mikroplastik ein besonderes Problem darstellen, wenn der Honig kontaminiert ist, da sie darauf als Nahrung angewiesen sind. Der lange Zeitraum der Aufnahme kontaminierten Honigs könnte ihre Überlebensfähigkeit schmälern und damit das Problem der Wintersterblichkeit erhöhen.

Mikroplastik kann Schadstoffe adsorbieren und kann somit aufgrund seiner Lipophilie sogar zu einer besonders toxischen Quelle werden; Wang et al. zeigten 2020, dass Mikroplastik aus Polyethylen ein bedeutender Träger von Pestiziden landwirtschaftlicher Felder ist, was möglicherweise die Auswirkungen der Pestizidexposition bei Bienen verstärken kann.
Die Übertragung von Krankheitserregern ist ebenso ein viel diskutiertes Thema. Da die Menge an Plastikmüll in der Umwelt zunimmt, ist dieser Umstand besonders besorgniserregend.

Die potenziellen Risiken, die von Mikroplastik für Honigbienen ausgehen, sind aktuell weitgehend unklar. Viele Forschungsfragen müssen daher noch geklärt werden:

  • Die möglichen negativen Auswirkungen von Mikroplastik auf das Brutmuster, die Entstehung neuer Königinnen, die Vitalität von Drohnen und die Vitalität der Kolonie insgesamt.
  • Aufnahme und Akkumulation von Mikroplastik im Gewebe von Honigbienen und ob dies durch die Art, Größe und Form der Partikel beeinflusst wird.
  • Die kombinierten Auswirkungen von Mikroplastik und anderen Umweltschadstoffen wie Schwermetallen, Pestizide und Nanomaterialien sowie Parasiten und Krankheitserreger auf die Gesundheit von Honigbienen.
  • Die mögliche Rolle von Mikroplastik als Überträger von Krankheitserregern.
Literaturstelle: 

Al Naggar, Y.; Brinkmann, M.; Sayes, C.M.; AL-Kahtani, S.N.; Dar, S.A.; El-Seedi, H.R.; Grünewald, B.; Giesy, J.P. Are Honey Bees at Risk from Microplastics? Toxics 2021, 9, 109. https://doi.org/10.3390/toxics9050109

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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