Wie sich das Sozialverhalten bei Bienen entwickelte

  • Veröffentlicht am: 12.08.2020

Megalopta genalis ist eine besonders bemerkenswerte Biene für die Wissenschaft. Foto: Callum Kingwell

Eine ungewöhnliche Biene aus der Gattung der Schmal- und Furchenbienen zeigt, wie das Sozialverhalten hochkomplexer Insektengesellschaften aus sehr bescheidenen Anfängen entstehen kann.

Honigbienen, Ameisen und andere soziale Insekten sind dafür bekannt, dass sie zwischen Arbeiterinnen und Königinnen bemerkenswerte Unterschiede aufweisen, die ihr Verhalten, ihre Fortpflanzung und ihre körperliche Statur umfassen: vom Gehirn bis zur Muskulatur. Diese Unterschiede treten auf, wenn Umwelteinflüsse wie Ernährungsumstellungen oder soziale Interaktionen auftreten. Aber wie tragen Reaktionen auf die Umwelt zur Evolution bei? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, das erweist sich als sehr schwierig.

Obwohl die meisten der 20.000 Bienenarten Solitärbienen sind, haben sich hochentwickelte soziale Systeme mehrfach entwickelt. Es wurde lange vermutet, dass dies eine Reaktion auf Umweltfaktoren war, das die Entwicklung komplexer sozialer Lebensstile auslöste, aber bisher fehlten dafür Beweise.

Auf Barro Colorado Island in Panama lebt die nachtaktive Schmal- und Furchenbiene Megalopta genali. Diese Bienen-Art scheint am Übergang zur Sozialität zu stehen: Eine einzelne Biene kann entweder allein leben oder sich zu einer Königin entwickeln, um über eine oder manchmal einige Töchter zu herrschen.

Bill Wcislo vom Smithsonian Tropical Research Institut erklärt, warum diese Biene einzigartige Erkenntnisse liefern kann. „Die meisten Arten sind entweder sozial oder solitärlebend. Und Arten, die variieren, wenn man soziale und solitäre Arten vergleichen möchte, leben die verschiedenen sozialen Formen normalerweise in unterschiedlichen Umgebungen in verschiedenen Höhen oder Breiten, sodass sie auf unterschiedliche Ernährungsweisen oder andere Umweltfaktoren treffen. Aber weil es auf Barro Colorado Island eine einzige Art gibt, die entweder sozial oder solitär lebt, können wir sie an einem Ort vergleichen, an dem alle anderen Dinge gleich sind: gleiche Jahreszeit, gleiches Klima, gleiche Nahrungspflanzen, kurz gesagt, dieselben äußeren Umstände.“

Umwelt statt Mutation als Auslöser

Die Wissenschaftler verglichen die Gene von M. genalis, die an verschiedenen Prozessen beteiligt sind, einschließlich jener, die soziale und solitäre Individuen unterscheiden. Sie fanden dabei heraus, dass die Gene, die an der Regulierung des Sozialverhaltens beteiligt sind, größtenteils alten Entwicklungsprozessen entstammen, die für die Entwicklung der Bienen und für die Geschlechtsbestimmung von zentraler Bedeutung sind. Die Art und Weise, wie eine Biene auf unterschiedliche Umweltbedingungen reagiert, verändert die Art und Weise der Genexpression und gibt der Evolution die Möglichkeit, auf Individuen zu wirken, die genetisch gleich sind, sich aber unterschiedlich verhalten.

„Wenn der erste Schritt zur Entwicklung eines neuen Merkmals immer das Auftreten einer neuen genetischen Variante ist, dann würden wir erwarten, dass die Gene, die mit dem Sozialverhalten dieser Art zusammenhängen, in ihrem Umfang begrenzt sind und sich kürzlich weiterentwickelt haben“, erläutert Karen Kapheim von der Utah State Universität. „Wir haben genau das Gegenteil gefunden.“

Durch das Recycling alter Gene können sich neue Merkmale entwickeln, sogar so hochkomplexe Eigenschaften wie das soziale Verhalten. Mit dieser Entdeckung kann nun eine langjährige Debatte unter Evolutionsbiologen gelöst werden: Ist der erste Schritt der Evolution immer eine neue genetische Variante, die aus einer Mutation resultiert? Wohl eher nicht, denn es können die Umweltbedingungen sein, die den ersten Schritt der Veränderung auslösen.

Literaturstelle: 

Kapheim K.M., Jones B.M., Pan H., Li C., Harpur B.A., Kent C.F., Zayed A., Ioannidis P., Waterhouse R.M., Kingwell, C., Stolle E., Avalos A., Zhang G., McMillan O., Wcislo, W.T. 2020. Developmental plasticity shapes social traits and selection in a facultatively eusocial bee. PNAS.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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