Damit Tiere in Städten überleben können
In Städten können längst nicht alle Wildtiere überleben. Foto: Paulo Evangelista/Unsplash
Städte sind kein natürlicher Lebensraum für Wildtiere. Dort überleben nur Tierarten, deren Lebensweise mit dem städtischen Umfeld vereinbar ist. In einer Studie wurden die Eigenschaften von wildlebenden Stadttieren untersucht und deren Überlebensstrategien identifiziert. Diese Kenntnisse sollten bei der Planung von Grünflächen berücksichtigt werden, um die Artenvielfalt in Städten zu unterstützen.
Das Wachstum von Städten und die Flächenversiegelung zählen zu den Hauptursachen des weltweiten Artenverlustes. Viele Tierarten verlieren schlicht ihre natürliche Lebensgrundlage. Grünflächen sind in Städten oft nur klein und zerstückelt. Zudem müssen Tiere mit höheren Temperaturen in Städten, der Luft- und Lichtverschmutzung sowie starkem Verkehr klarkommen. „Städte sind eine Art Filter für die lokale Biodiversität. Tierarten, welche kein Essen oder keine Plätze für die Fortpflanzung und Aufzucht ihrer Nachkommen finden, werden aussortiert und sterben aus“, erklärt Marco Moretti von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.
Dennoch können Städte eine hohe biologische Vielfalt aufweisen, wenn bei der Planung und Bewirtschaftung von Grünflächen die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebensstrategien der Arten, berücksichtigt werden. Denn Tiere können auf vielfältige Weise in Städten überleben.
Das Team der Wissenschaftler untersuchte Messdaten zum Körperbau, zur Fortpflanzung und zur Ernährung von Bienen, Laufkäfern, Vögeln, Fledermäusen, Amphibien und Reptilien. Sie sammelten Daten aus 379 Städten auf 6 Kontinenten einschließlich der bislang wenig erforschten Tropen.
Mobile Fledermäuse, anspruchsvolle Reptilien
Die Forscher hatten erwartet, in den Städten vor allem Generalisten anzutreffen, die sich von unterschiedlichen Quellen ernähren können und nicht anspruchsvoll sind in der Wahl ihres Nest- und Brutplatzes. Spezialisten, die auf bestimmte Nahrungsquellen oder Orte der Fortpflanzung angewiesen sind, haben es in der Regel schwer in Städten.
Die Auswertung der erhobenen Daten zeigt jedoch, dass Spezialisten durchaus eine Überlebenschance haben, wenn sie entsprechende Lebensbedingungen vorfinden. Tatsächlich fanden die Forschenden unterschiedliche Lebensstrategien. Sie unterscheiden sich vor allem darin, wie die Tiere Nahrung finden und sich fortpflanzen.
Amphibien und Reptilien haben in Städten wenig Aussichten, geeignete Brutplätze wie Teiche oder sonnige und ruhige Gebiete zu finden. Sie bleiben zeitlebens am gleichen Gebiet und sind auf das dort vorhandene Futter spezialisiert. Diese wenig mobilen Spezialisten sind jedoch in Städten stark gefährdet: durch den Verlust und die Zerstückelung ihrer Lebensräume, Nahrungsmangel und Umweltverschmutzung. Damit sind die Populationen solcher Standort-Spezialisten stärker vor dem Aussterben bedroht.
Vögel und Wildbienen leben überwiegend an einem zentralen Ort, von welchem aus sie auf Nahrungssuche in der Umgebung gehen. Dafür sind sie bei ihrer Nahrung weniger wählerisch und fressen, was sie bekommen können. Auch leben eher Vögel mit einer kleinen Anzahl von Nachkommen in Städten. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des einzelnen Jungtiers, genügend Futter zu bekommen und zu überleben.
Typische Generalisten mit hoher Mobilität hingegen sind Laufkäfer und Fledermäuse. Manche in Städten lebende Fledermäuse sind darauf ausgerichtet, möglichst große Strecken zwischen Nistplätzen und Futterquellen zurückzulegen. Sie bewegen sich frei in der Stadt und nutzen die verschiedenen Möglichkeiten der Nahrungssuche, die Städte bieten.
Fallen für Biodiversität vermeiden
Die Studie bestätigt, dass Städte vielen verschiedenen Lebewesen Platz bieten. „Für die Tiere wichtige Ressourcen müssen jedoch geschützt werden. Insbesondere Plätze für die Fortpflanzung, die für viele spezialisierte Arten rar sind“, betont Marco Moretti. In der Stadtplanung sollten daher die Biodiversität und die unterschiedlichen Bedürfnisse von Lebewesen mit einbezogen werden.
Wenn Städte verdichtet werden sollen, müssen dabei genügend Grünflächen eingeplant werden, die an die unterschiedlichen ökologischen Bedürfnisse der verschiedenen Arten angepasst sind. „Beispielsweise könnten Dächer vermehrt begrünt werden“, schlägt Marco Moretti vor. „Wichtig sind auch Brücken oder Korridore zwischen verschiedenen Grünflächen.“ Ohne Verbindungswege werden kleine, isolierte Flächen zu Fallen für jene Organismen, die sich nicht ausbreiten können mit dem Risiko einer verstärkten Inzucht und eines Rückgangs der Populationen. Weiter ist auch die Qualität der Grünflächen von Bedeutung, wie Marco Moretti weiter erläutert: „Grünflächen sollten vielen verschiedenen Pflanzen Platz bieten. Dies erhöht die Artenvielfalt der Insekten, welche wiederum eine Nahrungsquelle für Vögel und andere Tierarten sind.“
Wildbienen in den Städten leben meist allein und nisten in Löchern in Holz, Wand oder Boden. Einige Arten haben einen Radius von maximal 200 Metern, wobei im Vergleich Honigbienen bis zu einem Kilometer weit fliegen. Sie sind auf verbundene Grünflächen angewiesen und würden von mehr qualitativen Grünflächen mit vielen Blumensorten profitieren. Gerade bodennistende Arten sind stärker gefährdet, da es nur wenig unversiegelte und unbepflanzte Bodenflächen gibt. Durch die Spezialisierung auf diesen Lebensraum findet dieser Typus nur wenige Nistplätze in Städten.
Hahs, A.K., Fournier, B., Aronson, M.F.J. et al. Urbanisation generates multiple trait syndromes for terrestrial animal taxa worldwide. Nat Commun 14, 4751 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-39746-1